Zeitungsartikel: Die Laufenseldenerin Claudia Leuchten und ihr finnischer Webstuhl

Wiesbadener Tageblatt 15.03.2014:
LAUFENSELDEN – Claudia Leuchtens Handwerk lässt sich nicht in einem stillen Winkel am Küchentisch ausüben. Ihr größter Webstuhl ist naturgemäß sperrig und dominiert den Raum. Buchenholz und Flügelmuttern fallen dem Laien auf an dem Gerät, das laut einem Schildchen die Firma Varpapuu im ostfinnischen Pieksämäki hergestellt hat. Gebraucht hat es 700 Euro gekostet.

Gerade arbeitet Claudia Leuchten an einem Auftrag für Saunatücher. Aber rein zufällig entsteht im Heidenroder Ortsteil Laufenselden an einem finnischen Webstuhl ein typisch finnisches Accessoire. Tischdecken oder Schals gehören sonst zur Produktion, Jacken und Mäntel fertigt die 52-Jährige eher für den innerfamiliären Gebrauch. Insgesamt stehen drei Webstühle in der Werkstatt, zwei weitere sind auseinandergebaut und eingelagert.

Hauptberuflich Betreuerin

Im Jahr 2011 ist Claudia mit ihrem Mann Markus Leuchten nach Laufenselden gezogen. Aufgewachsen sind beide in Düsseldorf. „Ich wollte schon als Kind gerne auf dem Land leben“, erzählt sie, und damit steht auch das Weben in Verbindung. Über 30 Jahre Erfahrung besitzt die gelernte Kauffrau für Bürokommunikation in dem Handwerk, 2010 legte sie schließlich die Gesellinnenprüfung ab.

Hauptberuflich arbeitet sie heute in der Fledermausschule in Laufenselden und betreut dort nachmittags die Ganztagskinder. Markus Leuchtens Brotberuf ist der des Kfz-Mechanikers, allerdings „wollte ich mal Schreiner werden“. Beim Schnitzen und beim Bau von Wikingerzelten lebt er die Leidenschaft für Holz aus und hilft seiner Frau etwa beim Kardieren, bei dem Textilfasern ausgerichtet werden.

Spinnräder zählen weiterhin zur Ausstattung. Gefärbt wird in Laufenselden mit pflanzlichen Stoffen: „Das passiert auf dem Balkon draußen“, berichtet Claudia Leuchten. Ein Teil ihrer Kunst ist bei Märkten und Ausstellungen sowie in Museen zu sehen, und dann, wenn die Mittelalter-Szene sich in der Region trifft. Das Ehepaar ist selbst bei den „Gewandeten“ aktiv und erhält bei solchen Gelegenheiten Aufträge. Rund 95 Euro koste ein laufender Meter gewebten Stoffes. Bei günstigen Bedingungen lasse sich mithilfe einer Schnelllade ein Quadratmeter Textil in einer Stunde fertigstellen, doch viel aufwendiger sei das Einrichten des Webstuhls. Mit 20 Stunden rechnet Claudia Leuchten dafür durchschnittlich. Scherbaum, Warenbaum, Kettbaum und Tritte, die wie Pedale einer Orgel wirken, gilt es in Einklang zu bringen.

Mittlerweile stellt Claudia Leuchten auf diese Weise nicht nur Tischdecken, Kissenbezüge, Taschen oder Baby-Tragetücher her, sondern gibt ihr Wissen auch in Kursen weiter. „Ich verwebe nur Naturmaterialien“ wie Wolle, Leinen, Seide und Baumwolle, sagt sie. Farben, Litzen, Schäfte, Tritte und ihre Reihenfolge bestimmen beim Weben die äußerst vielfältigen Muster.

Wer sich für das Weben und einen Kurs interessiert, sollte abgesehen von Fingergeschick, Konzentration und technischem Verständnis etwas körperliche Fitness mitbringen. „Nach zwei Stunden Weben ist einem ordentlich warm, und man hat das Gefühl, Sport gemacht zu haben“, schildert Claudia Leuchten.

(Von Thorsten Stötzer)